On Democracy | ⚡️ Wie wir Populismus auf Social Media stoppen
Hey Leute,
Eigentlich wollte ich in diesem Newsletter zuerst über Robert Habecks Rede von der OMR reden, als ein Beispiel für ein sehr gutes Video gegen Populismus. Aber dann ging vergangene Woche der inzwischen nur noch als „Sylt-Video“ bekannte Clip viral. Du hattest die Pullover-über-den-Schultern-tragenden Jüngelchen, die es lustig fanden, ganz offen und selbstbewusst Nazi-Gesten zu zeigen und ausländerfeindliche Parolen zu grölen, sicher auch in deiner Timeline.
Das Video löste eine breite Welle der Empörung aus. Viele waren angewidert von dem Verhalten der neureichen Jung-Faschos. Aus dem Nichts kam dieses Video allerdings nicht. Es riss nur (endlich) den Vorhang beiseite. Seit Monaten peitscht sich eine junge, rechtsradikale Bewegung auf TikTok, Insta, Telegram und anderen Kanä-len mit widerlichen Hass-Memes auf. Das Sylt-Video hat diesen demokratie-verachtenden Trend nun in die Medienöffentlichkeit und Hauptnachrichten gespült.
Und jetzt komme ich zu Robert Habecks Rede von der OMR und seinem wichtigsten Satz daraus:
„Vergesst nicht, was die Stunde geschlagen hat. Steht auf und macht den Rücken gerade!“
Robert Habeck hat die Marketingszene zu Recht aufgerufen, sich für Demokratie einzusetzen. Lies dir mal bei Kommunikations- und Rhetorik-Experte Adem Mulamustafić auf LinkedIn durch, warum die Rede so gut war und viral ging. Bei mir hat er damit auf jeden Fall einen Nerv getroffen. Ich denke schon lange darüber nach, wie sich unser Verhältnis zu den großen Plattformen verändert hat.
In einer Social-Media-Agentur ist man zunächst Dienstleister. Unser Auftrag ist es, unseren Kunden zu helfen, mit TikTok, Insta, YouTube & Co. ihre Ziele zu erreichen. Gleichzeitig sind wir politische Menschen. Auch bei uns in der Agentur diskutieren wir über Entwicklungen auf den Plattformen.
Und weder können noch wollen wir die Augen verschließen, wenn zum Beispiel eine rechtsextreme Partei mit ihren Aktivitäten auf Social Media größere Reichweiten erzielt als alle anderen demokratischen Parteien zusammen. Dass das so ist, liegt auch an den Social-Media-Konzernen. Die von ihnen geschaffene Aufmerksamkeitsökonomie hat dazu geführt, dass es populistische Parteien besonders leicht haben, mit simplen Botschaften viele Menschen zu erreichen. Dass es auch anders geht, hat Robert Habeck mit seiner langen und differenzierten Rede bewiesen. Nur ist das ungleich schwieriger, denn:
„Auf TikTok wird Krieg geführt. Und die Populisten sind im Vorteil, weil sie mehr sind und eine hohe eigene Motivation haben zu kommunizieren“, sagt Kulturwissenschaftlerin und Markenexpertin Karin Bjerregaard Schlüter.
Bei ihr habe ich einen Online-Vortrag zu den Methoden der Populisten besucht. Schonungslos zeigt sie mir und den anderen Teilnehmenden die Prequels zum Sylt-Video.
Unter den Beispielen ist ein führender AfD-Politiker, der unterm Brandenburger stehend seine Botschaft an die Zielgruppe sendet: „Sei rechts, dann wirst du viele Freunde haben.“ Das Video endet mit einem Selfie mit zwei Jugendlichen, die den AfD-Mann erkannt haben und ein Bild mit ihm wollen. Ein anderer AfD-Politiker präsentiert stolz seinen „Abschiebe-Kalender“ mit Flugzeugen, mit denen geflüchtete Menschen in die Heimat zurückgeflogen werden können. Es folgen ein rechtsradikaler Rap-Song und ein beleidigendes Video zu Außenministerin Annalena Baerbock, unterlegt mit dem 1990er-Jahre Trash-Song „Ich find‘ dich scheiße“.
Diese widerwärtigen Inhalte seien leider mega populär, sagt Schlüter. TikTok zeigt mir solche Videos gar nicht erst an. Passt nicht auf meine For-You. Die Social-Media-Plattformen helfen uns beim Wegschauen. Ganz bequem, wie so vieles im Internet. So wird eine Demokratie langsam, aber sicher abgetragen, wie ein Felsbrocken, der vom Wind irgendwann zu Sand zermahlen wird. Gegen Bequemlichkeit hilft nur: Aktiv werden! Wir Schreibtischtäter wissen: Wer einen graden Rücken möchte, muss was dafür tun.
Die große Protestbewegung im Frühjahr hat gezeigt: Der beste Weg, sich Hass, Hetze und Populismus im digitalen und im echten Leben entgegenzustellen, ist, sich zu vernetzen und zusammenzustehen. Dazu lade ich dich und jede Leserin und jeden Leser dieses Newsletters herzlich ein.
Eine gute erste Gelegenheit dazu ist die re:publica, die am heutigen Montag in Berlin beginnt. Bis zum 29. Mai läuft Deutschlands wichtigste Konferenz für eine demokratische, digitale und zivile Gesellschaft. Mein Kollege Sebastian und ich sind vor Ort und freuen uns auf Diskussionen, Gespräche und Austausch.
Eine zweite Gelegenheit ist der Distri Day am 27. Juni in Mainz. Wir sprechen darüber, wie man Streaming- und Mediatheksinhalte auf Social Media bestmöglich verbreiten kann. Wie du dabei sein kannst, erfährst du in dieser pickepacke vollen Newsletter-Ausgabe, in der wir auch ein paar ganz konkrete Tipps und Beispiele drin haben, wie man selbst aktiv werden kann.
Herzlichst
euer Moritz und das HitchOn-Team
Fake News sind nicht gleich Fake News!
Plattformen wie Instagram und TikTok können im besten Fall politische Teilhabe und Diskurs unterstützen. Gleichzeitig nutzen Populist:innen und anti-demokratische Organisationen soziale Medien, um Desinformationen zu verbreiten und die demokratische Meinungsbildung negativ zu beeinflussen. Unsere Senior Content-Strategin Maria Plotnikova erklärt, welche verschiedenen Arten von Falschinformationen es gibt und wie man dazu beitragen kann, dass diese sich nicht verbreiten.
Fehlinformation: Fehlinformationen entstehen meist nicht aus böser Absicht, sondern durch Fehler. Diese Fehler können durch falsche Übersetzungen entstehen, durch missverstandene Interpretationen oder durch „menschliches Versagen“ in Form von journalistischen Fehlern. Fehlinformationen sind zwar nicht boshaft in der Entstehung, können aber großen Schaden anrichten und von böswilligen Akteur:innen genauso wie Desinformation zur Manipulation von Meinungen genutzt werden.
Desinformation: Das sind absichtlich falsche Infos, die verbreitet werden, um User:innen zu täuschen oder Menschen sowohl politisch als auch persönlich zu schaden. Umgangssprachlich würde man dazu einfach „Lügen“ sagen, die gezielt verbreitet werden, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder Menschen oder Menschengruppen zu diskreditieren. Besonders perfide sind Desinformationen, die nicht sofort erkennbar sind, wie z. B. Zitate, die verkürzt, aus dem Kontext gerissen oder falsch zugeordnet werden und dadurch verfälscht werden. Auch Manipulationen von Bild-, Ton- oder Video-Inhalten gehören dazu.
Mal-Information: Diese Art von Information ist die manipulativste. Mal-Informationen sind wahre Informationen, die nicht bearbeitet oder verfälscht sind, sondern die mit der Absicht veröffentlicht werden, um Schaden zu hinterlassen. Dazu gehören Leaks und Doxing (das Veröffentlichen von privaten Infos wie Adressen, etc.), die Men-schen für organisierte Hasskampagnen angreifbar machen. Sie treten aber auch in Form von Fotos und Videos auf, die aus dem Kontext gerissen Hass oder Angst schüren sollen. Ein Beispiel dafür ist Bilder von älteren Kriegshandlungen, die tat-sächlich passiert sind, bei denen aber der Eindruck erweckt werden soll, sie seien aus einem aktuellen Konflikt.
Hat man diese Begriffe verinnerlicht, so kann man folgende fünf Schritte zum Enttarnen von Desinformation, Fehlinformation oder Mal-Information anwenden, um sich in den Sozialen Medien davor zu schützen.
1. Ruhig bleiben: Social Media lebt davon, dass Menschen emotionalisiert werden – egal ob positiv oder negativ. Versuche darum, dich nicht aufzuregen. Nicht jedes vermeintliche Zitat wurde so gesagt, nicht jede Headline beschreibt den Inhalt des Artikels und nicht jedes angeblich authentische Video ist ein Skandal, der extreme Positionen unterstützt.
2. Kritisch hinterfragen statt weiterleiten: Hinterfrage Inhalte, bevor du sie teilst. Verbreite keine ungeprüften oder zweifelhaften Informationen, bei denen zum Beispiel die Quelle unklar ist.
3. Quellen und Fakten prüfen: Führe eine kurze Recherche zu Autor:innen, Content und Impressum des Accounts oder der dazugehörigen Website durch und prüfe diese auf Authentizität. Überprüfe, ob die Berichterstattung ausgewogen oder einseitig ist.
4. Bilder und Videos zurückverfolgen: Finde heraus, wer ein Bild oder Video veröffentlicht hat, indem du durch die Rückwärtssuche auf Google oder anderen Suchmaschinen die angebliche Quelle oder den Urheber bis zum Ursprung zurückverfolgst.
5. Faktenchecks nutzen: Öffentlich-rechtliche Medien, die dpa und unabhängige Organisationen wie Correctiv.org oder Mimikama bieten Faktenchecks an. Nutze diese zur Überprüfung von Informationen.
(Quellen: uni-goettingen.de, digitalcheck.nrw, bundesregierung.de)
Die Anmeldung zu unserem Distri Day läuft
Über Distribution sprechen – das wollen wir an unserem zweiten Distri Day in Mainz. Willst du auch dabei sein? Dann melde dich und gerne auch jemanden, der uns noch nicht kennt, bis zum 18. Juni 2024 verbindlich und kostenlos an. Alle Infos zum Event, der Anmeldung und den Anreisemöglichkeiten findest du hier.
Ein Zeichen für Demokratie: 3 Beispiele
Hier sind drei Beispiele für Initiativen und Projekte, die ein Zeichen für Demokratie setzen, einmal von einer Marke, von einer Non-Profit-Organisation und von einem öffentlich-rechtlichen Sender.
WAS IST WAS Demokratie
Die WAS IST WAS-Bücher des Tessloff-Verlags fehlen in kaum einem Kinderzimmer. Dinos, Mumien oder Wale und Delfine; fast jeder kann direkt „seinen“ oder „ihren“ Lieblingsband der Wissensreihe nennen. Im Frühjahr veröffentlichte der Verlag eine Broschüre mit dem Titel „WAS IST WAS Demokratie“. Das Booklet ist gedruckt erhält-lich und kostenlos zum Download verfügbar. Im Herbst erscheint ein vollwertiger Band zu dem Thema.
Als die Broschüre erschien, löste sie einen regelrechten „Candystorm“ aus, wie Verlagschefin Katja Meinecke-Meurer auf LinkedIn schrieb. Der Sturm wirbelte 50.000 Hefte auf, die bereits an Familien, Schulen und Bildungseinrichtungen verteilt wurden.
#reclaimTikTok
Die „TikTok-Generation“ ist progressiv und liberal? Schön wär‘s. Rechtsextreme Parteien schaffen es leider sehr gut, junge Menschen über TikTok zu erreichen. Der Realität entspricht das nicht, wie die Proteste gegen die AfD im Frühjahr gezeigt haben.
Magdalena „Maggy“ Hess und ihre Mitstreiter:innen von Fridays for Future wollen diese Reichweite zurückerobern – reclaimen –, indem sie die Plattform mit Content fluten.
Die Aktivist:innen haben die Kampagne #reclaimTikTok ins Leben gerufen. Mittlerweile wurden mehr als 30.000 Videos unter dem Hashtag hochgeladen, von der Schülerin über die Bundestagsabgeordnete bis zum Rentner: Quer durch die Gesellschaft sind Menschen eingestiegen, selbst Videos zu filmen und sie mit dem Hashtag #reclaimTikTok zu teilen. Hier ein Beispiel von Zahra.
Opa, lass reden
„Opa erzählt vom Krieg“, sagen wir oft, wenn (ältere) Menschen zum hundertsten Mal nicht ganz so interessante Geschichten von früher erzählen. Doch was, wenn wir uns diesen Satz mal ganz unironisch zu Herzen nehmen, solange es noch Menschen gibt, die vom Krieg und den Folgen der NS-Diktatur erzählen können? Das macht der junge Marco im Podcast „Opa, lass reden“ für den Radiosender DAS DING.
Immer wenn er seine Großeltern besucht, erzählt sein Großvater Jo ihm von früher: Wie es war, als in Berlin die Bomben gefallen sind, vom Hunger nach dem Krieg und wie er später als junger Mann aus der DDR geflüchtet ist. Marco und sein Opa erinnern uns daran, wie wichtig das Zuhören und das Erinnern sind.
In eigener Sache: Moritz ist jetzt Geschäftsleiter von HitchOn
Mit dem Aufstieg unseres Kollegen Moritz Meyer in die Chefetage von HitchOn wird unsere Agentur seit Mai von einem Führungstrio gesteuert. Moritz ergänzt unsere Gründerin und Geschäftsführerin Sarah Kübler und unseren Co-Geschäftsführer Thomas Hohmann mit seiner Erfahrung aus 20 Jahren als Journalist, Medienmacher und Social-Media-Experte.
Sarah wird sich auf die strategische Weiterentwicklung von HitchOn und den Ausbau neuer Geschäftsfelder konzentrieren.
Wenn du mehr über Moritz‘ Weg zu HitchOn erfahren willst, dann lies doch mal seinen persönlichen Beitrag auf LinkedIn.
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